Kurzbericht aus dem Bundestag #3

von Yannic Plumpe

Wie ich schon in meinem ersten Bericht erwähnte, richtet sich die Taktzahl im Bundestag nach den Parlamentsterminen. Diese Woche gab es, ebenso wie letzte Woche, keine Lautsprecherdurchsagen in den Büros der Abgeordneten, die über namentliche Abstimmungen informieren, denn in den meisten Bundesländern sind Herbstferien angesagt und dementsprechend heißt es auch für uns im Büro sitzungsfreie Zeit. Die angesprochenen Lautsprecherdurchsagen waren für mich am Anfang gewöhnungsbedürftig, denn sie werden stets mit einem schrillen Ton eingeleitet, gefolgt von Informationen, die durchgesagt werden. Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich daran und hält die sporadischen Aufrufe zur namentlichen Abstimmung nicht mehr für einen Feueralarm, sondern nimmt sie als markantes Zeichen einer Sitzungswoche wahr. Doch keine Sitzungswoche heißt nicht automatisch weniger Arbeit.

In der Sitzungsfreien Zeit geht es verstärkt um inhaltliche Vorbereitung, Gespräche, Recherchen, Terminierung usw. All das, was im Plenum als Debatte gezeigt wird, ist meist nur der Abschluss eines weitsichtigen und genauso komplexen Ausarbeitungs- und Entscheidungsfindungsprozesses. Doch das macht ja auch, wie ich finde, gerade die Besonderheit unseres demokratischen Systems aus. In diesem Zusammenhang finde ich bemerkenswert, wie direkt der Kontakt der Büros der Abgeordneten mit den gesellschaftlichen Akteuren dabei vonstattengeht. Während die Liegenschaften des Bundestages flughafenähnlich gesichert sind, kann jeder Mensch direkt bei den Büros der Abgeordneten telefonisch vorsprechen oder über das Kontaktformular des Deutschen Bundestages eine E-Mail senden.

In den beiden vorigen Berichten bin ich ja immer mal wieder auf Kunst im Bundestag gestoßen. Im Verlauf der Woche durfte ich jedoch „die umfassendste künstlerische Gestaltung im Reichstagsgebäude“ entdecken. Der Andachtsraum ist direkt neben dem prominenten Plenarsaal gelegen und doch so versteckt, dass ihn die Wenigsten schon besucht haben dürften.

Auch wenn ich keine religiöse Präferenz habe, war es für mich einmal schön zu sehen, dass der Reichstag, der ja ein Ort der Auseinandersetzung und nicht selten auch ein Ort des rhetorischen Kampfes ist, auch Ecken der Besinnung bietet. Auf dem Bild erkennt man, dass die meisten Elemente im Andachtsraum nicht befestigt sind. „So führen sie sinnfällig die Unbehaustheit des Menschen auf Erden vor Augen.“, heißt es in der Beschreibung des Künstlers Günther Uecker über den von ihm gestalteten Raum. Im Kontrast zwischen Sitzungswoche und sitzungsfreier Zeit ist mir an diesem Ort jedoch aufgefallen, dass der Bundestag auch ein Zusammenspiel besonderer Fluktuation ist. Die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter sind ständig im Austausch, reisen für Eindrücke an die verschiedensten Orte und sind dabei gleichzeitig im Wahlkreis und im Bundestag vertreten. Schlussendlich heißt es nach 4 Jahren wieder eine ganz neue Zusammensetzung und ganz neue Zusammenhänge. Das Einzige was in diesem Sinne überdauert ist das Gebäude und die Struktur.

Und auch wenn der Andachtsraum mittlerweile nur noch von ca. 15 Menschen regelmäßig benutzt wird, kann ein wenig Kontemplation, unabhängig von Religion, an solch einem Ort sicher nicht schaden.